Alsters beim Rheinwerfen
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- Erstellt am Mittwoch, 21. August 2024 22:26
- Zuletzt aktualisiert am Mittwoch, 28. August 2024 17:20
Es ist Freitag. 15:21 am Hamburger Hauptbahnhof. Gleis 8. Ich sitze unter Reisenden in der Sonne auf dem Bahnsteig. Die Rollen der vorbeifahrenden Koffer klappern, Kinder schreien. Die Bahnmitarbeiterin erzählt über die Lautsprecher wieso welche Züge zu spät sind. Ich fühle mich schläfrig und meine Gedanken fangen an zu wandern. Vor zwei Wochen fing hier unser Trip zum Rheinwerfen an. Ein Geruch fängt meine frei driftende Aufmerksamkeit ein. Oder ist es das Fehlen eines Geruchs? Irgendwas Zimt hier nicht…
Traditionell bereiten wir unseren Gegnern auf Fun-Turnieren eine Freude indem wir flüssigen Apfelkuchen mitbringen. Apfelsaft, Vodka, Sahne und Zimt werden (in dieser Reihenfolge) in den Mündern unserer Feinde gemischt. Beauftragter für die freudige Fütterung war Bodin „Partysieg“ Kaminski. Zimt hatte er keinen dabei.
Glücklicherweise hatten wir aus Sicherheitsgründen beschlossen nicht als gesammelte Speerspitze anzureisen, sondern Bad Honnef in eine Nord-Süd-Zange zu nehmen. Alissa „SugaMama“ Bradley leitete den Südzug. Und wenn es eine Sache gibt für die Alissa bekannt ist, ist es ihre Gründlichkeit. Sie startete ihren Vorstoß dermaßen weit hinter der deutschen Grenze, dass Sie noch etwas Rinde von Zimtbäumen einsammeln konnte.
Ich habe es mittlerweile in den Zug geschafft. Hamburg rollt erneut an mir vorbei.
Der erste morgen auf dem Rheinwerfen sorgte bei uns für Irritation. Es gab Fleisch zum Frühstück. Ebenfalls die Sendung mit der Maus Waffeln – aber auch Fleisch. Wir mussten den Leberkäseäquator überquert haben. Werden hier etwa auch noch Blondinen- und Schwulenwitze gemacht? Hatten wir gerade jemanden Takka-Tukka-Land sagen hören?
Nachdem wir auf dem Spielplan das Team „TransJoy“ entdeckten, legten sich unsere Befürchtungen etwas, die Links-Grün-Bubble der Zivilisation zu weit verlassen zu haben. Trotzdem legte das Wetter nahe, vielleicht etwas unvorsichtig beim Eintritt in den tiefen Süden gewesen zu sein. Kurz nach dem Frühstück knackten wir die 30°C. Kein Lüftchen wehte. Dafür stieg die Luftfeuchtigkeit im Laufe des Tages auf 110%.
Rückblickend frage ich mich ob unser erstes Match in einer Fata Morgana stattgefunden hat. Die Gegner trugen Pink, waren Jung & Schnell. Zu Jung. Zu Schnell. Wir hatten in unserem Akklimatisierungsmodus keine Chance.
Immerhin: Der Gewöhnungsprozess an das tropische Klima war nach dem ersten Spiel abgeschlossen. Nur mit der Fauna hatten wir noch zu kämpfen. Zur Verteidigung unseres Rekordspielers Alexander Airdorf trat Lebensretterin Lindi auf eine angreifende Biene. Die Biene zahlte ihre Aggression mit dem Tod, Lindi mit ihrer Fähigkeit sich auf zwei Beinen zu bewegen. Von so viel Einsatz und Teamgeist zusammengeschweißt gewannen wir das nächste Spiel. Unsere Gegner identifizierten sich als Bären. Mittlerweile für die Schwingungen des Orts sensibilisiert verzichteten wir auf einen rügenden Hinweis zu dieser verhohlenen Unterstützung des Kremls.
Alexander Airdorf (Rekordspieler) war beflügelt von unserem Sieg. Er wollte ab sofort vor jeden Spiel Canadians zur Erwärmung machen, da er hier den Schlüssel für unseren Sieg über die Putinversteher sah. Außerdem sollte Lindi vor jedem Spiel auf eine Biene treten. Wir lehnten ab – Canadians seien keine gute Übung für ein WarmUp. Und Lindi wollte keine weiteren Bienenmorde begehen.
Ob es nun an den fehlenden Canadians lag, oder ob sich nur unsere Out-Of-Syncness mit der Umgebung deutlicher manifestierte: Wir gewannen kein einziges Spiel mehr.
Unser Fremdeln spürend versuchte das Gastgeberteam (irgendwas mit Bäumen und Hunden) mit offenen Armen auf uns zuzugehen. Sie erkundigten sich freundlich, ob wir tatsächlich nicht in die 2. Liga Mixed aufgestiegen waren und beteuerten uns, dies als Verlust wahrzunehmen. Wir fühlten etwas innere Wärme zurück kommen. Wie nach einem kalten Ouzo oder einem liebevollem Hieb in die Magengrube.
Dermaßen ermuntert gingen wir auf die Turnierparty. Es gab eine Silent Disco mit Kopfhörern am Pool. Die Kopfhörer hatten drei Kanäle und zeigten über ein Licht an welcher Kanal gerade gehört wurde. Neben Techno (Rot) und chartigem Pop (Grün) war da ein blauer Kanal. Die Musik auf diesem klang merkwürdig. Es war als ob die gespielten Interpreten absichtlich den Bezug zu guten Stil und geschmackvollem Klang verloren hätten. Wie entstehen solche Kakophonien? Vor meinem inneren Augen formte sich das Bild von schalem Bier in zu kleinen Gläsern. Ich ging ins Zelt und sehnte mich nach einem Fischbrötchen.
Sonntag wurden wir vom Donner geweckt. Wir verloren auch unsere restlichen Spiele. Frustriert – aber auch mit geöffneten Augen fürs anders Sein – wandten wir uns neuen Abenteuern zu. Wir setzten einen Trend im Synchronrutschen (das Turnier fand übrigens in einem Freibad statt), und sogar der Bademeister gratulierte uns zu so viel Talent.
Siegerehrung und Ende, Aus, Vorbei. Das Baumteam vergaß unsere Rutschleistung zu erwähnen. Macht aber nichts. Mittlerweile fühlten wir uns hier einfach wohl. Unsere (Orga-)Königin Jana „jot jejange“ Jekaterinburg brachte uns noch etwas Gesichtswurst vom Buffet.
Ob wir wohl nächstes Jahr wieder in diese fremde Welt eintauchen dürfen? Ich weiß: Ich würde mich freuen!
Mein Zug kommt in Potsdam an. Ich habe den Bericht fertig. Ich klappe den Laptop zu und werde jetzt O besuchen.